Das Dummersdorfer Ufer (1.Teil)
von Hans-Rathje Reimers, Forstamtmann a. D.
für das Magazin „Kücknitz [er]leben“
Unter dem Dummersdorfer Ufer verstehen wir gemeinhin das linke Untertraveufer zwischen dem Lehmannkai im Westen und dem Skandinavienkai im Norden. Dieser Uferabschnitt ist knapp 7 km lang. Rund 4900 Meter davon gehören wirklich der Dummersdorfer Flur an, die nördlichen 650 Meter liegen auf Ivendorfer Flur und im Westen schließt sich ein 450 Meter langer Kücknitzer Teil an.
Dieses Dummersdorfer Ufer zerfällt schon rein optisch in drei unterschiedliche Teile. Der westliche Teil umschließt das der Natur zurück gegebene ehemalige Hochofenwerksgelände. Daran schließt sich nach Osten hin bis zum Stülper Huk ein Südosten ausgerichteter Steilhang an. Auch der dritte Teil wird durch einen Steilhang gebildet, ist aber nach Osten hin orientiert und im Hinterland bewaldet.
Die Trave ist von seiner Quelle hin bis nach Lübeck ja eigentlich ein kleiner Fluss. Um so mehr imponiert die Breite der Untertrave ab der Herreninsel flussabwärts (zwischen 400 und 2000 Meter). Den landschaftlichen Reiz erhält dieser Flussabschnitt durch seine bewaldeten Steilabhänge und Buchten.
Warum ist hier die Trave so anders als weiter flussaufwärts? Eine Antwort auf diese Fragen finden wir in den späteiszeitlichen Vorgängen, die sich hier vor rund 12 000 Jahren abspielten:
Die Gletscher hatten im weiten Bogen um das heutige Lübeck herum eine hohe Endmoräne aufgeschüttet (Hochpunkte dieser Endmoräne sind z. B. der Ihlberg bei Schönberg, die Kasdorfer und Langniendorfer Höhen und der Pariner Berg).
Als der Gletscher sich bis Ivendorf zurückgezogen hatte, schüttete er die kiesige Ausspülendmoräne beiderseits der heutigen Untertrave (Kiesgruben!) in dieses Becken hinein. Ein Eisstausee bildete sich zwischen dieser neuen und der älteren Endmoräne.
Der Gletscher zog sich dann weiter in die Lübecker Bucht zurück und bildete kurzfristig einen zweiten Stausee, dessen Wassermassen sich die niedrigste Stelle des vorgelagerten Kiesplateaus (das sich von der Hohenmeile über Dummersdorf, Pöppendorf, Waldhusen bis Kreuzkamp erstreckte) für den Abfluss suchten.
In kurzer Zeit spülten die riesigen Wassermassen des tauenden Gletschers eine tiefe Rinne in das Kiesplateau und kolkten dabei auch die weiten Buchten von der Schlutuper bis zur Teschower Wiek aus. Die ausgespülten Sande bilden heute die ausgedehnten Sandflächen von Wesloe und Palingen bis hin nach Herrenburg und Falkenhusen. Die kleineren und leichtern, mit ausgeschwemmten Tonanteile wurden weiter entfernt in ruhigerem Wasser des Stausees um Lübeck herum abgelagert und bilden seit dem Mittelalter das Grundmaterial für die Lübecker Backsteinstadt.
Als die großen Wassermassen sich verlaufen hatten, blieb auch hier in der heutigen Untertrave nur das kleine Flüsschen Trave übrig, das jetzt aber entgegen der ursprünglich Fließrichtung, also von Lübeck nach Travemünde, floss.
Erst als vor rund 7000 Jahren sich der Weltmeeresspiegel durch das Abtauen der Gletscher um rund 50 Meter gehoben hatte, wurde das heutige, fördenartige Untertravetal geflutet. Die Ostsee brandete jetzt gegen die Hänge der Erosionsrinne und schuf die Steilufer, die heute – seitdem die Priwallnehrung sich als Barriere vor die Travemündung geschoben hat – größtenteils nicht mehr aktiv angegriffen werden. Sie haben sich mit einer Vegetation überzogen, die heute den naturschützerischen Wert des Naturschutzgebietes Dummersdorfer Ufer ausmachen.
Seiteninhalte
Das Dummersdorfer Ufer (2. Teil)
von Hans-Rathje Reimers, Forstamtmann a. D.
In der letzten Ausgabe dieses Magazins „Kücknitz[er]leben“ hatten wir die generelle Entstehungsgeschichte des gesamten ca. 7 km langen „Dummersdorfer Ufers“ kennen gelernt.
Heute soll der westlichste Abschnitt näher beleuchtet werden. Er reicht vom Lehmannkai bis nahe an die Mündung des Dummersdorfer Mühlenbaches heran und umfasst somit Teile des ehemaligen Metallhüttenwerksgeländes. Dieser Bereich hat im wahrsten Sinne des Wortes eine sehr „bewegte“ Geschichte.
Bis 1900 hin verlief fast alles – wie seit Jahrhunderten – in ruhigen Bahnen. Nur das Jahr 1806 fiel etwas aus dem Rahmen. Die Französischen Truppen rückten von Mecklenburg kommend heran, um Lübeck zu erobern. Der Preußische Marschall Blücher, der sich in Lübeck verschanzt hatte und die Stadt verteidigen wollte, ließ u.a. auf der Kücknitzer Uferkoppel eine mit Soldaten besetzte Schanze aufwerfen, um ein Übersetzen der feindlichen Truppen über die Trave zu verhindern. Zu Feindberührungen kam es hier nicht; aber fortan hieß diese Koppel „Schanzenkoppel“.
Gut ein Jahrhundert später wurden Schanze und Koppel von der Industrie verschlungen.
Das Hochofenwerk entstand auf dieser und angrenzenden Flächen. Rund 90 Jahre herrschte hier reges industrielles Leben. Dann kam der Katzenjammer. Das Werk – jetzt „Metallhüttenwerk“ genannt – ging in Konkurs und die schweren Umweltsünden dieser Industrie traten zu Tage. Die Hochofenschlacke war einfach in die Trave gekippt worden; versickerte Teeröle haben regelrechte unterirdische „Teerölseen“ gebildet; große Mengen schwermetallhaltiger Klärschlämme waren ungeschützt abgelagert worden; überhaupt war das ganze Gelände – und darüber hinaus auch die nähere Umgebung – mit Schadstoffen behafteten Stäuben überzogen worden.
Das Gelände musste saniert werden: Die Gebäude wurden abgerissen; die bis ins Grundwasser reichenden Teerölseen, die Klärschlämme und die Schlackenhalde wurden durch Dichtungswände und Folienabdeckungen eingekapselt; wohl an die 1 Million Kubikmeter belasteter und unbelasteter Boden wurden bewegt. Das Ergebnis dieser enormen Anstrengungen von Stadt und Land, die mehr als 100 Millionen DM kosteten, ist, dass knapp 60 ha des alten Hochofenwerk-Geländes wieder für Neuansiedlungen von Industrie und Gewerbe bereit stehen (und zum Teil auch schon wieder genutzt werden) und weitere rund 25 ha – das alte Haldengelände, also die Müllkippe des Werkes – zu einem „Landschaftspark“ gestaltet wurden.
Und damit sind wir endlich bei unserem eigentlichen Thema, dem Naherholungsgebiet, das durch diese Maßnamen entstand: 25 ha Natur aus Menschenhand.
Die der natürlichen Umgebung angepasste Modellierung des Geländes und initiale Begrünung mit Baum- und Strauchinseln und offenen Partien wurde in den Jahren um die Jahrtausendwende geschaffen. Eine Sukzession wurde in Gang gesetzt, die in den vergangenen 10 Jahren auch schon viele Tiere angelockt hat: Lerchen jubilieren im Frühjahr in großer Zahl; Eidechsen sonnen sich auf den erwärmten Steinen; Wildschweine suchen nach Mäusen, Insekten, Würmern und fressbaren Wurzeln und hinterlassen manchmal richtige Kraterlandschaften; im Herbst fallen große Scharen von Wachholderdrosseln in die Sanddorngebüsche ein und laben und stärken sich an den vitaminreichen Beeren; hin und wieder greift sich ein Habicht einen dieser Vögel; auch der Seeadler zieht gelegentlich über das Gelände und die Trave; auf der Trave tummelt sich zu gewissen Zeiten unzähliges Wassergeflügel.
Und das alles vollzieht sich auf dem „Südbalkon“ der Kücknitzer! Sie müssen es nur nutzen! Viele Kücknitzer können das Gebiet zu Fuß erreichen, die anderen können mit dem Auto bis zur „Balkontür“ fahren. Sogar parken kann man dort, am Ende der Straße „Dampfpfeife“.
Rund 3,5 km Wanderwege erschließen das Gebiet mit teils lauschigwarmen, teils windigzugigen, aber immer interessanten Wegestrecken und oft mit atemberaubend schönen Aussichten auf Trave, Landschaft und Tierwelt.
Zwei Schönheitsfehler hat dieses Naherholungsgebiet noch:
1. Das Wanderwegesystem hat keine ordentlich Anbindung ins Naturschutzgebiet Dummersdorfer Ufer hinein.
2. Es fehlen einige Ruhebänke an passenden Stellen.
Der Gemeinnützige Verein wird sich drum kümmern!
Und wer mit offenen Augen durch das Gebiet streift, wird bemerken, dass nicht nur Natur anzutreffen ist: in Betonschalen gefasste Abflussrinnen, Sammelschächte und Beobachtungsstutzen für das Sicker- und Grundwasser fallen im Grün der Vegetation als Fremdkörper auf. Sie dienen der Beobachtung und gefahrlosen Ableitung des möglicherweise mit Schadstoffen kontaminierten in den Boden eingedrungenen Regenwassers. Diese werden in einem Klärwerk gereinigt, bevor sie in die Trave entlassen werden.
So geht von dem im Grundsatz stark belasteten Gebiet für Menschen, Pflanzen, Tieren und den ober- und unterirdischen Gewässern keine Gefahr mehr aus.
Also, Kücknitzer, auf und erwandert diese inzwischen schöne Landschaft!
Das Dummersdorfer Ufer (3. Teil)
von Hans-Rathje Reimers, Forstamtmann a. D.
In der letzten Ausgabe von Kücknitz(er)leben hatten wir den westlichen, neu erstellten Teil des „Dummersdorfer Ufers“, dem „Landschaftspark“ auf der Schlackenhalde der ehemaligen Metallhütte, kennengelernt. Wer jetzt nach Osten hin in das eigentliche Naturschutzgebiet „Dummersdorfer Ufer“ überwechseln will, der muss schon etwas besser zu Fuß sein, denn einen offiziellen und auch ausgebauten Wanderweg dorthin gibt es nicht. Ein nur mäßig ausgetretener Trampelpfad führt hinüber und wir sind auf der Langrehmenkoppel – im Volksmunde Hundekoppel genannt. „Langrehmen“ deshalb, weil hier bis zur Verkoppelung der Feldflur (um 1800) lange riemenartige Koppelstücke bestanden; „Hundkoppel“ deshalb, weil diese Fläche nach der Abkiesung von der inzwischen stark angewachsenen Bevölkerung zum Hundeauslauf auserkoren wurde. Bis heute haben sich hier auf der humusarmen Fläche Trockkenrasen und Sanddorngebüsche entwickelt. Im Trockenrasen findet sich der interessante, aber leider auch kleine, seltene und unscheinbare Farn mit Namen Mondraute. Am Abhang zur Trave steht der auch im Winter grüne Winterschachtelhalm.
Weiter geht’s, etwas abseits des Steilufers, über das kleine Tälchen des Dummersdorfer Mühlenbaches, das sich Richtung Trave zu einem richtig imposanten Kerbtal auswächst. Der Bach entwässert eine heute mit Pappeln bestockte Niederung, die früher mal ein See war und dann noch weiter zu einem Mühlenteich aufgestaut wurde. Die Mühle ist längst eingegangen, aber ein Teil des heute mit Schwarzkiefern bestandenen Waldstückes heißt auch jetzt noch „Mühlenhof“. Ein anderer Teil nennt sich „Schulland“, die ehemalige Koppel des Dummersdorfer Schulmeisters.
Nachdem der Weg den Wald verlassen hat, geht es an den Koppeln Kaphorn (beide Wortteile bedeuten Vorsprung), Bökenrad (Buchenrodung) und Hagenblock (Ackerblock im Hagen = Wald) vorbei zum Dummersbarmredder. „Redder“ kennzeichnet einen beiderseits von einem Knick eingefassten Feldweg; „Barm“ ist das plattdeutsche Wort für „Berme“, womit der rund 20 Meter hohe Geländeabsatz zwischen den hohen Ackerflächen und dem Traveufer gemeint ist. Der Wegename bezeichnet also die Verbindung von „Dummers(-dorf)“ zum hohen Traveabhang. Die drei Koppeln sind seit der Bildung des Dummersdorfer Gutes zu einem großen Feld zusammengelegt.
An einer Stelle mit einer schönen Aussicht und einer zum Genießen einladenden Bank vorbei kommen wir an das noch imposantere Kerbtal der Voßbek. Auf der östlichen Seite dieses Tales führt ein schmaler Stieg hinunter zur Trave, der „Deefstieg“.
Mit diesem Steig verbindet sich eine nette, aber auch wahre Anekdote: Vor langer Zeit hatten die Dummersdorfer Bauern und die Schlutuper Fischer gemeinsam ein feuchtfröhliches Fest gefeiert. Die Bauern wussten, dass die Fischer einen stattlichen Bullen besaßen, den sie gerne hätten, den die Schlutuper aber nicht herausrücken wollten. Eine Wette kam zustande zu der Dummersdorfer Aussage „Den kriegen wir schon noch!“. Das Fest war vorbei, der Winter kam und die Trave fror zu. Jetzt gingen die Dummersdorfer Bauern übers Eis nach Schlutup, holten bei Nacht den Bullen aus dem Stall und zogen im Schneegestöber, das die Spuren verwischte, wieder übers Eis, den oben genannten Weg hinauf nach Dummersdorf. Die durch Trunkenheit benebelten Schlutuper hatten die Wette vergessen und konnten den Verbleib des Bullen nicht aufklären. Nachdem der Bulle bei den Dummersdorfer Kühen seine Schuldigkeit getan hatte, wurde der Bulle nach Schlutup zurückgebracht. So hatten die Schlutuper einen doppelten Schaden: Sie mussten der Tätigkeit des Bullens entbehren und zusätzlich die verlorene Wette einlösen, ganz zu schweigen von dem Spott, den sie zu ertragen hatten. Seitdem heißt der Pfad „Deefstieg = Diebssteig“.
Über die Neuenteilskoppeln geht es weiter abermals zu einer schönen Aussicht. Ein hier erbauter Aussichtsturm erweitert zusätzlich die schöne Fernsicht auf die hier im Schnitt 500 Meter breite Traveförde mit all ihren schönen Beobachtungsmöglichkeiten.
Hier sind wir nicht mehr weit vom Huk entfernt.
Das Dummersdorfer Ufer (4. Teil)
von Hans-Rathje Reimers, Forstamtmann a. D.
Das Kernstück des Naturschutzgebietes Dummersdorfer Ufer ist der Hirtenberg mit dem in die Trave hinein weisenden Geländesporn des Stülper Huk und mit seinem grasigen Umfeld. Es ist nicht nur das Kernstück des NSG; nein, es ist in vielerlei Hinsicht ein Glanzstück: geologisch, historisch, faunistisch, floristisch und ganz besonders auch landschaftlich. Es hat schon seinen Grund, dass es ein beliebter Ort für einen Sonntagsausflug ist!
Geologisch gesehen ist die breite Untertrave eine Förde, also ein von der Ostsee geflutetes Gletscherzungenbecken; hydrologisch dagegen ein in dieses Gletscherzungenbecken tief eingeschnittenes und vor 5 bis 6000 Jahren geflutetes Erosionstal, daher die steilen Uferhänge. Das geologische Wirken der Natur bleibt dem menschlichen Erleben in der Regel verborgen, weil die Abläufe meist sehr langsam sind. Aber hier am Stülper Huk kann man die ab- und aufbauenden Kräfte des Wassers am östlichen Steilhang sozusagen im Zeitraffer verfolgen: abbrechender Steilhang durch Hochwasser und Wellenschlag / eine sich aufbauende Landzunge aus dem vom Wasser hierher verfrachteten, aus dem Steiluferabbruch stammenden Sand.
Die Geschichte bietet hier Anschauungsmaterial aus verschiedenen Epochen. Das Steinzeitliche und Germanische zeigt sich nicht so ohne weiteres. Man muss es suchen, kennen und finden. Aber die gräflich schauenburgisch-holsteinische Burg auf dem Hirtenberg (1147 erbaut) ist einem Jeden offensichtlich. Hier traf sich Graf Adolf II. des Öfteren mit dem Mecklenburgischen Fürsten Niclot und seinen Söhnen zu politischen Gesprächen, bis einer dieser Söhne – Priebeslav – als Verbündeter von Kaiser Barbarrossa im Kriege gegen den Welfenherzog Heinrich dem Löwen die Burg 1181 eroberte und zerstörte. Die Burg wurde hier nicht wieder aufgebaut sondern im heutigen Travemünde. Seitdem heißt diese Örtlichkeit auf dem Hirtenberg „Alt-Travemünde“.
Ebenfalls augenfällig sind die vielen Sandentnahmestellen am Ballastberg, die sich durch eine unruhige Geländeoberfläche zu erkennen geben. Hier haben sich schon seit Jahrhunderten (bis ca. nach 1900 hin) die seewärts gehenden, nur leicht oder gar nicht beladenen Schiffe ihren nötigen Ballastsand gegraben. Schwer beladene Segelschiffe liegen besonders bei schwerer See besser im Wasser und lassen sich dann auch besser manövrieren als unbeladene.
Laufgräben aus der Schlussphase des 2. Weltkrieges
Viele Leute haben mich schon gefragt, was es mit dem im Zickzack den Berg von Parkplatz zur Trave hinunter laufenden Graben auf sich hat. Gerade über dieses jüngste Bodendenkmal ist am wenigsten bekannt: Es sind Laufgräben aus den letzten Monaten des 2. Weltkrieges, die vom Volkssturm von hier ausgehend bis zum Dummersbarmredder hin ausgeworfen wurden. Hier sollte Lübeck gegen einlaufende russische Kriegsschiffe verteidigt werden.
Auch der Silkteich hat seine geschichtliche Komponente: Er wurde 1932 mit Baggergut aus der Trave zugeschüttet und 1984 in der Hoffnung wieder hergestellt, dass er seine frühere ökologische Bedeutung besonders für seltene Libellen wieder erlangt.
Weit über unsere Landesgrenzen hinaus ist das NSG Dummersdorfer Ufer besonders wegen der floristischen Besonderheiten des Hirten- und Ballastberges bekannt: Seine im Wesentlichen nach Südosten hin geneigten Hänge fangen besonders viel Sonnenlicht und besonders wenig Regen auf. Diese Klimafaktoren im Verein mit einer steten leichten Erosion an den steilen Hängen, die dem Boden eine gewisse Jungfräulichkeit erhalten, prägen für schleswig-holsteinische Verhältnisse einen seltenen und besonderen Standort. Kein Wunder also, dass sich hier besonders viele seltene und interessante Vertreter aus Flora und Fauna finden lassen. Es soll an diesem Orte nicht auf die besonderen Kostbarkeiten des Gebietes eingegangen werden. Die sind oft nur klein und unscheinbar und anderenorts eingehend dargestellt. Aber auf ein paar besonders auffällige und hübsche Pflanzen sei doch hingewiesen: die Nickende Distel, die Pech-, Heide- und Grasnelke, der Thymian und viele andere Arten mehr erfreuen das Auge und manchmal auch die Nase. Ein besonderer Standort mit besonderen Pflanzen birgt auch eine besondere Fauna: Zauneidechsen leben hier; der Neuntöter sitzt auf den Dornbüschen und wartet auf Beute, die er dann oft auf einen Dorn des Busches aufspießt, um sie zu horten; mit Glück kann man einen skurril aussehenden Mondhornmistkäfer und auch viele bunte und flinke Schmetterlinge zu Gesicht bekommen.
Zu alledem: Die Landschaft ist einfach nur schön und der Schiffsverkehr auf dem Travestrom darüber hinaus auch noch interessant. Und es gibt wie gezeigt eine Menge zu entdecken. Also hin!
Eine kleine Erschwernis ist allerdings eingebaut: Vom neuen Parkplatz am Hirtenbergweg bis zum Stülper Huk ist ein Fußmarsch von rund 700 Meter einzuplanen. Früher konnte man mit dem Auto bis ans Ende des Hirtenbergweges fahren. Heute dürfen das nur noch Behinderte mit entsprechendem Ausweis. Der alte Parkplatz direkt im Kern des NSG lud so manche Leute zu ausschweifenden Gelagen und Zeltpartien ein mit entsprechendem Müll und vielen Schäden an Flora und Fauna. Diesem Missbrauch des NSG konnte mit der Rückverlegung des Parkplatzes erfolgreich begegnet werden. Also habt bitte Verständnis für diese inzwischen respektierte Maßnahme!
Noch ein Wort zum Namen „Stülper Huk“. Huk bedeutet eindeutig „Vorsprung“. Ob aber „Stülper Huk“ mit „in die Trave hinein gestülpter Vorsprung“ übersetzt werden kann ist fraglich.
Das Dummersdorfer Ufer (5. Teil)
von Hans-Rathje Reimers, Forstamtmann a. D.
Den meisten Kücknitzern wird der Forstort Dummersdorfer Tannen eher unter dem Namen „Ehlers Tannen“ bekannt sein. Diese Bezeichnung ist nur zum Teil richtig. Nur ein Drittel dieses heutigen Waldgebietes war früher Ackerland der am Hirtenberg liegenden Ehler’schen Bauernstelle. Die anderen zwei Drittel gehörten zu den beiden anderen Dummersdorfer Abbauten (Stuth und Blöcker).
In den Jahren nach 1900 kaufte der Lübecker Staat den gesamten linksseitigen Uferstreifen der Trave von Dänischburg bis Travemünde in der Hoffnung dieses ganze Gebiet industrialisieren zu können auf. Die heutigen Dummersdorfer Tannen waren zeitweilig als Fläche für das Hochofenwerk vorgesehen. Als es sich entschieden hatte, dass das Werk auf dem späteren Standort errichtet werden würde, schlug der Waldhusener Oberförster von Großheim 1908 vor, diese Flächen in Weihnachtsbaumkultur zu nehmen bis anderweitige industrielle Pläne entwickelt seien. In den Jahren 1911 bis 1913 wurden das jeweilige südliche und nördliche Drittel mit Fichten aufgeforstet.
Der Erste Weltkrieg zerschlug die hochtrabenden Industriepläne. Die Weihnachtsbaumkultur wuchs zu einem Fichtenwald empor. Die von Großheim´sche Kalkulation erwiese sich aber als richtig; der Weihnachtsbaumverkauf hatte die aufgelaufenen Kosten 1930 schon mehr als abgedeckt, sodass man sich 1930 entschloss, auch das mittlere Drittel (nach Ablauf des Pachtvertrages) in Anlehnung an die angrenzenden Flächen aufzuforsten.
Im Jahre 1940 begann der Krieg sich auch hier im abgelegenen Wald auszuwirken. Der Fichtenbestand des nördlichen Drittels musste einer Flak-Stellung weichen. Der heutige Nadelholzteil konnte bereits um 1950 nach einer gut 10jährigen landwirtschaftlichen Zwischennutzung wieder aufgeforstet werden; die Kuppe des Berges mit der eigentlichen Flak-Stellung aber erst 1986, weil dieser Bereich in den Besitz des Reiches übergegangen war. Er musste erst wieder zurückgekauft werden. Er trägt jetzt einen Traubeneichen-Bestand.
Die übrigen Fichtenbestände der Dummersdorfer Tannen fielen seit 1952 nach und nach den Stürmen zum Opfer (bis 1984). Rund 7 ha dieser Windwurfflächen wurden in der Zeit von 1975 bis 1984 ca. 10 Meter tief abgekiest und so wieder hergerichtet, dass heute wohl kaum jemand – weder am Relief noch an der Baumbestockung – erkennt, wo dieser Kiesabbau stattfand. Junger Eichenwald bedeckt jetzt diese und die angrenzende Windwurffläche.
Auch die seit 1950 bis 1964 neu angelegten Nadelholzbestände – jetzt zur Hauptsache aus Lärchen bestehend – wurden zwischenzeitlich so mit jungen Buchen unterpflanzt, dass sich auch hier langfristig ein standortheimischer Buchenwald entwickeln wird.
Die letzten 100 Jahre brachten diesem Gebiet einen mehrfachen, gravierenden Landschaftswandel: vom Acker zum Fichtenwald, teilweise über eine Flak-Stellung, über Windwurf- und Kiesabbauflächen hin zu einem sich in Richtung auf naturnahe Bestände entwickelnden Wald.
Aber nicht nur in diesem im Hinterland des eigentlichen Dummersdorfer Ufers gelegenen Gebietes vollzogen sich Wandlungen. Auch am Steilufer zur Trave änderte sich Einiges: Aus einem natürlichen Buchen-Urwald wurde eine baumfreie Schafweide. Seit 1750 bewaldete sich der Steiluferstreifen auf natürliche Weise wieder, weil die Schafwirtschaft unrentabel geworden war. 200 Jahre lang nutzten die Bauern diesen Streifen für ihre Brennholzversorgung im Stockausschlagbetrieb, die Fischer schnitten sich aus dem hier reichlich wachsenden Haselsträuchern die benötigten geraden Ruten zur Befestigung ihrer Reusen und Netze und die Schiffer bauten auch hier Ballast für ihre seewärts gehenden Schiffe ab. Die durch den Ballastabbau im nördlichen Bereich entstandene Berme im Steilufer nutzten die Fischer zur Mittagsrast. Der Flurbezeichnung „Fischerrast“ verweist auf diese Nutzung.
aufgeforstete Kiesgrube am Dummersdorfer Ufer
In der Zeit der Knappheit des Brennmaterials nach dem 2. Weltkrieg wurde der gesamte Streifen kahl geschlagen und in der Zeit des Wirtschaftswunders wollte kein Mensch mehr Brennholz. So überalterte der Niederwald. Erst ab ca. 1975 wurde aus Gründen des Naturschutzes die Niederwaldnutzung jährlich auf rund einen Hektar wieder aufgenommen. Von jedem der drei Koppelanteile des Plateaus führte früher ein schmaler Pfad zum Ufer hinab. Über diesen holten sich die Bauern den Schlick von Ufer herauf zur Düngung ihrer Äcker.
Ausblick auf die Trave
Diese Abgänge und der ganze Uferstreifen sind heute für den Besucherverkehr gesperrt. Hier soll die natürliche Entwicklung der Ufervegetation gewährleistet bleiben und vor allem sollen Ufer bewohnende Vogelarten hier ungestört die Möglichkeit haben zu rasten, Nahrung zu suchen und vor allem auch zu brüten. Seltene Arten nutzen seit der Sperrung dieses Refugium: u.a. Gänse- und Mittelsäger, Brandgans und Regenpfeifer.
Nördlich des Waldes schließt sich der Ivendorfer Teil des Naturschutzgebietes an. Er reicht bis an den Skandinavienkai heran. Hier wird eine Mager-/Trockenrasenvegetation angestrebt; der Steilhang bleibt ungestört bewaldet. Eingebettet in diesen Bereich liegt die „Borndiekmulde“ (= die Mulde des Quellteiches), ein eiszeitlich bedingter Quellkessel. Durch steile Böschungen, ca. 15 Meter tiefer gelegen, sumpfigen Grund und ungestörte urwaldartige Waldentwicklung ist dieser Kessel nahezu unzugänglich. Gut für die Natur!
Im Walde und im Nordbereich bieten gut ausgebaute Wege und verschwiegene Trampelpfade für jeden Anspruch unterschiedliche Erlebnismöglichkeiten. Unerwartet schöne Ausblicke auf die Trave und die Pötenitzer Wiek tun sich gelegentlich vom Höhenweg aus auf. Neuerdings stellt ein neu errichteter Aussichtsturm in der nordöstlichsten Ecke des Naturschutzgebietes den Wanderern die Gegensätze zwischen modernster Hafentechnik und gemächlicher Naturentwicklung vor Augen: links Hafen, vorne Wasserstraße, rechts Naturschutzgebiet.
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